Das Bell-Filter, auch Glockenfilter genannt, ist wohl die häufigste verwendete EQ-Form. Es gibt ihn in vielerlei digitaler und analoger Form mit teilweise sehr umfangreichen speziellen Zusatzfunktionen. Allen voll-parametrischen Glockenfiltern sind aber drei grundsätzliche Einstellungsmöglichkeiten gemein: Gain (oder Hub), Frequenz und Q-Faktor (oder Güte).
Parameter
Der Gain wird üblicherweise in dB angegeben und gibt an, wie stark ein gewisser Bereich angehoben oder abgesenkt wird, dabei steht das negative Vorzeichen für eine Absenkung, positive Gain-Werte zeichnen eine Anhebung aus. Für den Einsatz im Mastering eignen sich vor allem Geräte, die hier eine feine Rasterung in ¼ oder ½ dB Schritten bieten, um einerseits genügend feine Bearbeitungen und andererseits eine gute Reproduzierbarkeit zu gewährleisten. Üblicherweise wird der Gain auf der Y-Achse eines Koordinatenkreuzes dargestellt.
Mit Frequenz wird üblicherweise die Mittenfrequenz angegeben, um die herum eine Bearbeitung stattfindet. Zeichnet man eine vertikale Achse durch die angegebene Frequenz, ist der linke Teil des Bell-Filters zum rechten Teil achsensymmetrisch. Die Frequenz wird üblicherweise auf der X-Achse dargestellt, welche logarithmisch bemaßt wird. Diese Darstellung wurde deswegen gewählt, weil eine Verdopplung der Frequenz einer tonalen Erhöhung um eine Oktave entspricht, was zur Folge hat, dass wir in absoluten Werten betrachtet im Tieftonbereich eine höhere Auflösung benötigen, als im hochfrequenten Sektor. Im digitalen Bereich sind heutzutage meist alle Frequenzen zwischen 20 Hz und 20 kHz als Mittenfrequenz anwählbar. Für das Mastering sind häufig aber auch sinnvoll – d.h. nach musikalischen Kriterien – gewählte Rasterstufen (vor allem bei analogen Geräten) nützlich, da sie ein schnelleres Arbeiten ermöglichen.
Der Q-Faktor ist definiert als Ergebnis aus Mittenfrequenz (fm) dividiert durch die Bandbreite (B) also
Q = fm / B. Die Bandbreite ist dabei der Bereich um die Mittenfrequenz, bis die Kurve um 3dB abgesunken ist oder zugenommen hat. Je niedriger der Q-Faktor ist, desto breitbandiger ist die Bearbeitung. Während man mit schmalbandigen Bearbeitungen vor allem auch im Mix gut Störgeräusche eliminieren kann, werden breitbandigere Bearbeitungen häufig als natürlicher empfunden. Übliche Wertebereiche für den Q-Faktor sind im Mastering 0,4 bis 1,3, bei spezielleren Anwendungen können aber auch höhere Werte nötig sein.
Auch findet man den Begriff des proportional-Q. Hierbei verändert sich der Q-Faktor in Relation mit dem Gain-Regler mit, sodass die frequenzmäßige Gesamtbreite des zu bearbeitenden Bereichs möglichst gleich bleibt, während man den Gain einstellt.
Die hier vorgestellte Definition ist so gemäß Lehrbuch und gibt nur einen kleinen Einblick in das Thema Q-Faktor, in der Praxis ist das leider so nicht genau zutreffend. Wer sich mit dem Thema intensiver auseinandersetzen möchte, dem sei der Blog von Bodo Felusch ans Herz gelegt, der das Thema sehr genau beleuchtet: felusch.de/?p=388
Einsatz des Bell-Filters im Mastering
Generell werden Filter im Mastering meist dazu genutzt eine frequenzmäßige Balance herzustellen. Das idealisierte Ziel ist es, dass der Song auf jedem Wiedergabesystem möglichst nah an der gewünschten Klangvorstellung des Künstlers ist. Häufig werden auch klangliche Ungleichgewichte oder generelle Defizite ausgebessert, die während der Mixphase entstanden sind (z.B. nicht optimale Abhörbedingungen im Projektstudio, Übermüdung des Gehörs nach langer Aufnahmesession etc.). Um diese Balance richtig abschätzen zu können bedarf es viel Erfahrung und eines ausgeruhten und möglichst frischen Gehörs. Der Mastering-Engineer sollte im idealen Fall noch nichts mit dem Projekt zu tun gehabt haben, damit auch eine Gewöhnung an gewisse Unzulänglichkeiten ausgeschlossen werden kann.
Klangbalance
Für viele Bereiche der Popularmusik hat sich eine dem klassischen Orchester ähnliche frequenzmäßige Ausgewogenheit durchgesetzt. Diese hat sich über einen längeren Zeitraum durch ständige Veränderungen von Instrumentenzahl, Aufstellung und Fortschritt des Instrumentenbaus entwickelt und wird gemeinhin als ästhetisch schön empfunden.
Allerdings haben sich inzwischen auch viele Genres gebildet, die bewusst davon abweichen, so sind im Hip-Hop z.B. deutlich stärkere Bässe üblich. Auch im Bereich der EDM (electronic dance music) ist man diesem Klangideal nicht unbedingt treu, es wird zum Teil bewusst dagegen verstoßen und die Klangbalance ist sehr frei gewählt – getreu dem Motto: Gut ist, was gefällt. Es bedarf also einiger Erfahrung und eines gewissen Fingerspitzengefühls, um die „richtige“ Klangbalance zum jeweiligen Song abhängig von Genre, technischen Parametern der möglichen Wiedergabe und gewünschter Klangästhetik des Künstlers zu finden und den Song daraufhin zu optimieren.
EQ-Techniken
Es gibt verschiedene „EQing-Techniken“, die wohl bekannteste ist das sog. Sweepen: Hierbei fährt man bei maximaler Verstärkung und hohem Q-Faktor langsam durch das Frequenzband und selektiert Bereiche, die stören. Achtung, bei digitalen EQs sollte man hier wirklich langsam durch das Frequenzband fahren, da es eine kleine Verzögerung zwischen dem Einstellen und dem Hören gibt. Im Mastering ist diese Technik weniger hilfreich, da durch diese Extremeinstellung dem Gehör ein Klangbild vorgestellt wird, dass nicht zielführend ist. Die Technik eignet sich vor allem dann, wenn man gezielt einzelne Frequenzbereiche sucht, die man zuvor beim unbearbeiteten Hören schon als störend empfunden hat. Idealerweise sollte das schon auf den Einzelspuren im Mix geschehen und nicht erst im Mastering.
Für Engineers mit klassisch ausgebildetem Gehör bietet es sich an, Frequenzen über die Klaviatur zuzuordnen. Hierdurch können direkt die Unausgewogenheiten im Klangbild in Frequenzen übersetzt und via EQ korrigiert werden. Einige EQ-Plugins bieten sogar eine Klaviatur als optisches Hilfsmittel, um diese Technik noch besser nutzen zu können. Der Vorteil besteht darin ganzheitlich und vor allem musikalisch zu denken. Der Kopf muss nicht zwischen technischem und musikalisch kreativem Denken hin und her wechseln, kann also weitestgehend die gleiche Gehirnhälfte ansprechen.
Als weitere Variante gibt es auch die Möglichkeit die einzelnen Bereiche des Frequenzspektrums verschiedenen Instrumenten oder Instrumenten-Funktionen zuzuordnen. Die Denkweise im Mix ist recht ähnlich, so wird der Gedanke „Die Basedrum ist zu leise“ in der Mischung dazu führen, dass man den Level via Fader erhöht. Im Mastering ist das nicht (oder nur bedingt bei Stem-Mastering) möglich und es wird einem eine Lösung über den EQ in den Sinn kommen. In unserem Beispiel könnte also eine Anhebung bei ca. 60Hz je nach Material und Abstimmung mit dem Bass ein Lösungsansatz sein. Wichtig ist hierbei nicht zu sehr in Einzelinstrumenten zu denken, da man dann schnell vergisst, dass man immer auch andere Instrumente im selben Bereich bearbeitet. Hier sollte man sich zu jedem Bereich auch die anderen „Mitspieler“ genauer anhören und überprüfen, was die gewünschte Bearbeitung mit diesen tut und ggf. abwägen, was für die gewünschte Klangbalance nun vorranging zu behandeln ist, damit der Song hinterher optimal klingt.
Bei all diesen Techniken kann ein guter und hoch auflösender Analyzer natürlich visuell unterstützen, entscheiden sollte aber immer das Gehör unter Berücksichtigung des musikalischen Gespürs und der gewünschten Klangbalance.
Ausblick
In der nächsten Folge widmen wir uns dem Shelv-Filter, bevor es mit den etwas spezielleren „Kollegen“ weiter geht.
Teil 1: Übersicht, was gibt es für EQs
Teil 3: Das Shelv-Filter
Teil 4: Cut, Notch und Niveau